Im Hintern Eis (3270 m) und Grawand (3251 m)

Im Hintern Eis (3270 m) und Grawand (3251 m)

10.08.2006

Am Morgen starten wir von Kurzras mit der Seilbahn hoch zur Bergstation Grawand. Im Lift sind wir die einzigen Wanderer, sonst nur Skifahrer und Snowboarder, denn ganzjährig gondeln hier Wintersportler ins Gletscherskigebiet des Hochjochferner nördlich der Grawand. Unser Plan für heute sah eigentlich anders aus. Von Kurzras aus wollten wir den 3000er in Nähe des bekannten Ötztaler Berges Weißkugel names „Im Hintern Eis“ besteigen. Dieser Gipfel gilt als einfach, aber anstrengend, 1200 Hm von Kurzras aus – und aufgefallen ist er uns durch seinen interessanten Namen, der ja zunächst nicht sonderlich einladend klingt. Von dort wollten wir hinüber zur Grawand, um den Abstieg dann anschließend mit der Bahn vornehmen zu können. 

Heute Morgen ist es jedoch wolkenlos, die Luft ist klar und verspricht eine gute Fernsicht. Also gehen wir die Route einfach umgekehrt, auch wenn die Grawand, dann eigentlich nicht als bestiegen gilt. Egal, die Fernsicht ist zu verlockend – und so sehen wir wenig später den Gipfel schon unmittelbar vor uns. Von der oberen Station sind es nur 50 Höhenmeter zum Scheitelpunkt – auch hier fiel letzte Nacht wieder Neuschnee, so dass der Weg recht rutschig ist, bei den Abgründen rechts und links kann es einem da schon mulmig werden. Den Gipfel teilen wir uns heute mit zwei weiteren Wanderern. Die Aussicht ist grandios. Die weiß gekrönten Ötztaler Berge erheben sich stolz vor dunklem Blau. Im Westen die spitze Weißkugel, im Norden die Wildspitze – beide mit über 3700 m Höhe. Im Osten die Finailspitze. Dahinter der berühmte Similaun, wo Bergsteiger 1991 die Gletschermumie oberhalb des Niederjochferners auf 3210m Höhe fanden („Ötzi“ suchte vor 5000 Jahren vom Schnalstal aus einen Weg über die Gletscher nach Norden).

Dazwischen unzählige weitere Zinken mit vergletscherten Hängen bis weit in die Talsohlen. Besonders die Gletscher Hochjochferner und Kreuzferner reichen noch weit hinab, wenn auch nicht mehr der Karte entsprechend, sondern leider schon weit kleiner. Im Süden entdecken wir alte Bekannte. Die Giganten Ortler, Monte Zebru, Königsspitze und Monte Cevedale überragen hier den Vinschgau. Nach ausgiebiger Film und Fotosession machen wir uns auf den Weg zum eigentlichen Tagesziel.

Laut Karte führt der Weg zur Schönen-Aussicht-Hütte eigentlich den Gletscher hinab, inzwischen aber über dessen Möränenfelder links vorbei. Ohne Neuschnee könnte man hier sogar einen weiteren Gipfel, die Graue Wand (3202 m) mitnehmen – heute ist der Pfad aufgrund des Schnees leider unauffindbar. Wir folgen daher dem unseren weiter bis zum Einstieg in den gut gesicherten und hier auch schneefreien Steig. Dieser führt uns nach vielen Kletterpassagen, die jedoch recht leicht einzustufen sind, hinab bis zum Gletschersee des Hochferners. Erstmals mache ich hier die Erfahrung, wie schnell man auf dem Hosenboden rutschen kann, wenn man auf einem verharschten Gletscher den Halt verliert. Nachdem das Gelächter nach dieser Übung sich gelegt hat, steigen wir weiter zur vor uns liegenden Rifugio Bellavista hinauf, der italienische Name unseres Zwischenziels. Von Grawand bis hierher waren es knapp 1,5 h Gehzeit.

„Bellavista“ ist nicht übertrieben. Die Hütte ist auch für Turnschuh-Wanderer direkt von Kurzras im Schnalstal aus in reichlich 2 Stunden auf guten Saumwegen erreichbar. Mit Blick auf die Eisfelder von Hochferner und Kreuzferner sowie auf die Gipfel Grawand, Graue Wand und Schwarze Wand kann hier jeder ein hochalpines Erlebnis genießen. Zudem arbeiten hier nette junge Italienerinnen. Wohl Studentinnen, die ihre Semesterferien hier verbringen – beneidenswert.

Von der Hütte aus den Markierungen und Steinmännern folgend führt der Weg über die Geröllflächen und Gletscherschliffe der Jochköfel weiter aufwärts zu den Moränenfeldern ab 3100 m Höhe. Wir sind heute nicht die einzigen Gipfelstürmer, drei Gruppen sind vor uns, zwei kommen uns entgegen. In etwa 3100 m scheint der Gipfel erreicht, zumindest scheint der dortige Steinhaufen das Ziel der Wandergruppe zu sein, die wir hier einholen. Der eigentliche Gipfel des „Im Hintern Eis“ wird hier aber erst sichtbar. Der Weg schlängelt sich nun nach links flach an den Südfuß des Gipfels und über Trümmer und Schnee steil hinauf zum höchsten Punkt. Die Mühe wird belohnt. Und es ist jetzt der siebte 3000er in dieser Woche, auf dem wir stehen.

Auf dem „Im Hintern Eis“ haben wir mit solch eisigen Temperaturen nicht gerechnet, aber wir lassen uns von einem vielleicht doch wahren Hintergrund des Namens nicht abschrecken – das Erlebnis ist überwältigend, wir saugen die Eindrücke förmlich auf: Wolkenformationen jagen vorüber. Zum Greifen nahe. Die Luft ist klar, schmeckt frisch und sauber. Absolute Stille, nur hin und wieder der Ruf einer Dohle. Die Zeit scheint still zu stehen. Und einsam ist es, aber schön einsam. Gegenüber ein gigantischer Berg, die Weißkugel mit ihrer 300 m hohen Gipfelflanke aus Fels und Eis. 3700 m hoch ist der Riese. Darunter entspringt ein mächtiger Gletscher. Spaltenreich mit wilden Eisbrüchen schiebt er sich kilometerweit talabwärts. Die Kälte des „Hintereisfernes“ lässt uns frösteln.

Von diesem Gletscher leitet sich auch der Name unseres Ziels ab, scheint aber eher irrtümlich von einem Kartografen so benannt zu sein, denn Derartiges klingt eher nach einem Flurname, bezeichnet aber nie einen Gipfel. Egal, „Im Hintern Eis“ droht wohl jedem, der sich hier zu lange aufhält. Im Gegensatz zum seltsamen Namen ist dessen Lage sehr reizvoll. Den Berg kennzeichnet im Westen und Norden eine 350 m hohe Fels- und Eisflanke, während Moränenfelder und Gletscherschliffe die Süd- und gleichzeitig Aufstiegsseite prägen. Im Norden krönt jetzt ganz nah die Wildspitze mit ihren zahlreichen Vorgipfeln das eindrucksvolle Bild. Im Westen die Weißkugel – beide über 3700 m hoch.

Eine ganz andere Welt, fast unwirklich, lebensfeindlich und fern von Allem. Fern vom Leben, das wir tief unten im Tal zurückließen. Im Schnalstal, das idyllisch, wie die Landschaft einer Modelleisenbahn unter uns liegt. Der Gipfel lässt mich absolute Freiheit fühlen, ein befreit sein von allem. Hier wird mir der Grund für die einzigartige „Bergfaszination“ bewusst. Es ist die unbeschreibliche Vielfalt der Gegensätze, die man hier mit allen geschärften Sinnen wahrnimmt. Extreme Höhen und Tiefen, Ruhe und Wildheit zugleich, Abenteuer und Entspannung, Harmonie und Chaos. Kälte und Wärme, Vergänglichkeit und Beständigkeit, Angst und Wohlbefinden. Alles extrem nahe beieinander. Das Naturerlebnis ermöglicht ein Verlassen des Alltags, wie es woanders kaum möglich ist. Und ein gestärktes Selbstbewusstsein. Ich habe mich selbst entdeckt, gleichzeitig aber auch „Urlaub“ von mir selbst gemacht. Das Ziel ist die Rückkehr ins Tal, zurück zur Familie, zurück ins alltägliche Leben – mit freiem Geist im Gepäck – und dem Gefühl, etwas oben gelassen zu haben.

Den letzten Weg zum Gipfel hinauf hatten nur noch drei andere Gipfelsuchende gewagt, nach gegenseitiger Beglückwünschung treten diese jedoch schnell wieder den Rückweg an, weil im Westen schlechtes Wetter aufzuziehen droht. Wir genießen erstmal jedoch ausgiebig den Ausblick, bevor wir den langen 1200 Hm –Abstieg angehen.

Bald erreichen wir dann über die gleiche Route wieder die Schöne-Aussicht-Hütte, die wir für eine weitere Pause nutzen. Der Abstiegsweg ist anschließend wirklich leicht, da breit angelegt. Jedoch lang und aufgrund des Höhenunterschiedes für unsere Knie sehr belastend. Unterhalb der Steinschlagspitze und des Hasenkopfs führt der Saumweg erst nach Westen auf die andere Talseite, dann dort immer oberhalb des Bacheinschnitts bleibend hinab ins Tal bei Kurzras. Die letzten Höhenmeter legen wir im schmerzenden Eilschritt zurück, um nicht unangenehm vom Gewitter, das bereits den Vinschgau hinauf grollt, überrascht zu werden. In letzter Sekunde erreichen wir trockenen Fußes den Parkplatz und retten uns in unseren Wagen. Wir beschließen nach Sulden zurückzukehren, um am nächsten Tag einen der vorgelagerten Gipfel des Ortlers zu besteigen – die Tabarettaspitze.

8. Tag: Tabarettaspitze (3128 m)

© Michael Breiden 15.01.2007

Tabarettaspitze (3128 m)

Tabarettaspitze (3128 m)

11.08.2006

Das Wetter bleibt wechselhaft. Aber wir sind guter Dinge, heute unseren neunten 3000er zu erreichen – Tabarettaspitze, schon träumen wir von zehn bis elf dieser Größenordnung, womit wir unsere Allzeit-Statistik enorm aufpoliert hätten. Wir starten mit dem Sessellift hinauf zur Bergstation Langenstein auf 2330 m. Von hier aus folgen wir erst Weg Nr. 10, dann 4a in Richtung Zwischenziel Tabarettahütte. Der Pfad führt über „frisches“ Geröll direkt unter der Unter der Ortler-Nordwandberühmten Ortler-Nordwand entlang, das teilweise erst jüngst aus der Ortler-Nordwand herab gedonnert zu sein scheint – zunächst etwa eine Stunde immer etwa auf einer Höhe. Die Tabarettahütte liegt auf einem kleinen Hügel an dessen Fuß ein großer Gedenkstein an alle Verunglückten der Ortler-Nordwand erinnert. Hier steigen wir jetzt etwa 200 Hm auf einem gut angelegten Serpentinenpfad empor, um bei der Tabarettahütte (2556 m) unseren ersten Pausensnack einzulegen.

Der anstrengende Teil erwartet uns nun über Weg Nr. 4 hinauf zur Payerhütte, die einsam hoch oben auf einem Felszipfel thront und heute nur gelegentlich ihre Verschleierung fallen lässt. Der schmale Serpentinen-Weg wirkt schon von unten sehr spektakulär. Er führt entlang der fast senkrechten Felsen über teilweise loses Geröll und Felsstufen. Hier ist Trittsicherheit gefragt, denn losgetretene Steine lösen hier leicht eine Gerölllawine aus. Plötzlich schießen tatsächlich einige Felsbrocken sehr nah an uns vorbei – dem Verursacher über uns können wir jedoch keinen Rüffel wegen Unachtsamkeit erteilen – hinter einem Felsblock weit oben blickt uns eine Ziege treudoof an und scheint sich keiner Schuld bewusst. Nach einer Stunde gelangen wir zur Bärenkopfscharte auf 2871 m, die uns jetzt den Blick hinab ins nebelige Trafoiertal und auf die Stilfserjochstraße erlaubt. Merklich haucht uns der vergletscherte Fast-4000er seine Kälte entgegen. Wir stehen zu Füßen des berühmten Ortlers.

Tabarettahütte und Sulden liegen winzig wie Märklin-Modelle tief unter uns. Die Payerhütte thront wie ein Adlerhorst in schwindelnder Höhe über uns. Bis dorthin wurde es jetzt richtig spannend. Wir haben ein Felsmassiv zu passieren, dessen glatte westliche Platte steil in den Himmel ragt. Dazu nur eine fußbreite Rinne. Dank guter Drahtseilsicherungen lässt sie sich sicher passieren – mit und ohne Sicherungsgurt. Der über 200m schaurige Tiefblick lässt uns jedoch schwindeln. Eine früher schwierigere Kletterstelle ist durch eine Holzbrücke entschärft. Der Steig endet an einem freistehenden ca. acht Meter hohen Felszacken, der an einen mahnenden Finger König Ortlers erinnert und Bergsteiger zur Vorsicht mahnt. Der Sage nach soll es sich beim Ortler um einen versteinerten Riesen handeln.

Nun sind es noch ca. 100 Höhenmeter bis zur Hütte auf steilem aber gut ausgebautem Platten-Weg. Zugang, Lage und das sich hier bietende Bild der Payerhütte mit ihrer Kapelle erinnert mehr an die uns wohlbekannten Burgruinen des Rheintales, als an eine Berghütte. Bei gutem Wetter ist diese wichtiger Ausgangspunkt für zahlreiche Seilschaften, die mit Bergführern unterwegs zum Gipfel des Eisriesen sind. Die kleine Kapelle hier soll letzten Segen für eine glückliche Rückkehr spenden.

Heute braucht ihn niemand. Nur wenige Tagesbesucher rasten in der Gaststube, zumindest sieht neben dem einzig anwesenden Bergführer niemand so aus, als wolle er heute oder überhaupt je den Ortler besteigen. Dazu ist derzeit die Wetterlage sowieso zu unbeständig. Bei einsetzendem Schneefall und momentaner Aussichtslosigkeit genehmigen wir uns zunächst eine wärmende Mittagssuppe im Stübchen.

Der Weg zur Tabarettaspitze ist von hier aus nicht weiter ausgeschildert. Wir müssten auf Verdacht ausgetretenen Pfaden in Richtung Ortler folgen über rutschigen und steilen Fels vorbei an gähnende Abgründen – mit Kletterei am oberen Stück. Da nun eine richtig dichte Nebelwand aufzieht und weiteren Schneefall mit sich bringt, treten wir den Rückweg an. Heute halt ohne Gipfel, aber immerhin ein lohnendes Ziel über 3000 m erreicht. Wir ahnen nicht, dass nur acht Tage später ganz in der Nähe bei schlechtem Wetter zwei Dortmunder Bergwanderer auf tragische Weise ihren Tod finden. Und schon im Mai fielen zwei Berchtesgadener einer Eislawine in der Nordwand zum Opfer. Wetter und Berg sollten hier nicht herausgefordert werden.

Wir kehren gesund und glücklich auf gleichem Pfad zurück ins Tal. Der Rückweg kommt uns sogar recht kurz vor – vermutlich, weil wir uns inzwischen ausgesprochen fit und trainiert fühlen. Noch beim Abstieg planen wir für morgen unseren nächsten Gipfel. Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Der Rückweg ins Suldental geht bis zur Tabarettahütte komplett über die Aufstiegsroute. Von dort aus wieder hinüber zum Sessellift Langenstein und schließlich hinab ins Tal, wo uns heute wieder eine leckere Pizza in der Bärenhöhle erwartet – ein letztes Mal. Aber wir kommen wieder – irgendwann – und nehmen uns den Chef vor, den König Ortler.

Suldental, 9. Tag: Der Morgen ist kühl und verregnet. Alle Hoffnungen auf Wetterbesserung schwinden. Wir setzen auf Plan B, der uns fort aus Südtirol auf dem Heimweg sogar noch ein bis zwei Gipfel in den Ötztaler Alpen bescheren könnte. Das wäre noch einmal ein Highlight. Doch leider zeigen sich Stunden später auch die Österreicher Berge von ihrer fiesesten Seite, so dass wir den Alpen nun gänzlich den Rücken kehren. Aber wir sind mit dem Erreichten zufrieden. Elf Gipfel, davon acht 3000er in nur acht Tagen. Das hätten wir vor einer Woche nicht für möglich gehalten. Und der Sommer 2007 kommt bestimmt.

© Michael Breiden 15.01.2007

Ankunft in Canazei/Penia – Aufstieg zum Contrinhaus

Ankunft in Canazei/Penia – Aufstieg zum Contrinhaus

03.07.2005

Und da sind wir wieder! In den Dolomiten – wo sonst. Doch diesesmal haben wir uns größere Ziele gesetzt. Als Hüttenwanderer gestartet – entdecken wir zunehmend die Gipfelstürmer in uns. Diesmal heißt es: 3000er – wir kommen! So haben wir es geplant.

Die Dolomiten haben es uns angetan, daher stand auch in diesem Jahr außer Frage, wo es hingeht.Der Langkofel vom Sella Joch ausUnsere Ziele sind diesesmal vereinzelt in den Dolomiten verstreut, sodass wir häufige Gebietswechsel vorgesehen haben. In freudiger Erwartung fiebern wir schon Wochen vorher den ersehnten Dolos entgegen. Wobei wir bereits ab Mai die Schneehöhen beobachten. Und noch im Juni zögern wir lange mit der Sella-Gruppe mit Val Lasties, Pordoi-Spitze und Piz BoeFestlegung des Starttermins. Schließlich können wir nicht mehr warten! Und so schlängeln wir uns eines schönen Sommermorgens Anfang Juli wieder einmal nach schlafloser Nacht durch das wohlbekannte Grödnertal hinauf zum Sella-Joch. Nach Dauerregen in Deutschland lacht uns hier die Sonne entgegen – keine Wolke am Himmel. Wir sind zuversichtlich.

Am Sella Joch dann unser erstes Fotoshooting. Ich habe meine bewährte Kamera gegen ein neues digitales Stück eingetauscht. Die muss ausgiebig getestet werden. Am Joch überragt uns fast der majestätische Langkofel. Gegenüber der Sella-Klotz, in der Ferne Puez und Geisler. Wohlbekannte Val di ContrinSpitzen, tut gut wieder hier zu sein. Nach etlichen „Tornanti“ talwärts Richtung Fassatal, Stefan scheint als Beifahrer meinen Spaß an Tornanti nicht zu teilen, erreichen wir Canazei. Im Ortsteil Penia suchen wir unseren Parkplatz am Eingang zum Val di Contrin. Am Ende das Tals sollen unser Nachtquartier und wohlverdiente Weizen-Biere winken. Nach erfolgreicher „Umpackerei“ unserer Rucksäcke marschieren wir um 13.00 Uhr los.

Aber hoppala. Es sind fast 30 Grad in der prallen Mittagssonne. Der steile Anstieg ins Val Val di Contrin / Punta Cornatesdi Contrin erweist sich als erste Schwitzkur. Bald windet sich der Weg jedoch schon fast wieder eben durch das idyllische Tal zwischen Il Collaccio (2715 m) und Punta Cornates (3029 m), Gipfel südlich der Marmolada. Der Weg ist breit und befahrbar – zumindest für den Canazeianer mit Allrad-Fiat. Unterwegs begegnen uns „freilaufende“ Pferde und Kühe, d.h. eigentlich dringen wir in deren Weide ein, was uns eines der Pferde übel zu nehmen scheint.

Die Aufdringlichkeit dieses alten Kleppers kann aber auch auf Stevies Ausdünstungen Endlich am Contrinhauszurückgeführt werden, denn er hat’s dem Gaul besonders angetan. In Sicherheit bieten uns später die wesentlich friedlicheren Kühe tolle Fotomotive – besonders von ihrer besten Seite. Wir bringen die 500 Höhenmeter heute erstaunlich schnell hinter uns – und sitzen am frühen Nachmittag (15.10 Uhr) umzingelt von Sandalen-Sonntags-Spaziergängern auf der Terrasse des Contrinhauses. Nach der entstandenen Hitzewallung bei willkommenem eiskaltem Weizen.

Das Contrinhaus (Rifugio Contrin, 2016 m) ist sehr schön vor der Kulisse des Occid und Piccolo VerneDas alte Contrinhausl gelegen. Wir sind begeistert vom Komfort unseres Doppelzimmers, denn wir haben ein eigenes Waschbecken direkt auf dem Zimmer. Und der Blick auf den Hof und ein dort verweiWaschbecken auf den Zimmernlendes einsames Wandergirlbringen diese Hütte einstimmig auf den ersten Platz unserer Hüttenbewertungsliste.

Sicherlich spielen hier die liebreizenden drei Bedienungen ebenso eine Rolle wie das schmackhafte Abendessen – was aber leider erst um 19.00 Uhr serviert wird, sodass wir vor Hunger fast sterben. Im Komplettmenü gibt’s Suppe, lecker Schnitzel mit Pommes, Salat und Nachspeise zum akzeptablen Preis (Halbpension 40,-). Noch vor 10 Uhr liegen wir im Tiefschlaf und träumen von der vor uns liegenden Besteigung eines 3000ers.

2.Tag: Cima Ombretta (3011 m)

© Michael Breiden 27.02.2006

Contrinhaus – Cima Ombretta (3011 m)

Contrinhaus – Cima Ombretta (3011 m)

04.07.2005

Nach fast comatösem Schlaf erwarten uns am frühen Morgen tief im Tal hängende Wolken, die Sicht – zunächst verdeckt durch eine Riesenspinne vor dem Fenster – etwa 20 m. Aber was soll’s. Der Hüttenwirt spricht von Morgennebel. Also frühstücken wir erstmal ausgiebig.Zur Cima Ombretta Wir lassen einige Inhalte unsere Rucksäcke an der Hütte zurück, da wir beim Abstieg wieder hier vorbeikommen.Am Vorabend haben wir uns entschlossen, die südliche Route für den Aufstieg zu wählen. Abmarsch 8.15 Uhr.

Zunächst über Almen, dann über Wurzeln durch Wälder gewinnen wir schnell an Höhe, das Contrinhaus verlieren wir durch den Nebel schnell aus den Augen. Wann wird’s denn jetzt sonnig? Ich bin zuversichtlich und verspreche Stefan eine Top-Aussicht am Gipfel. Es begleiten uns lediglich einige Murmeltiere mit ihrem Gepfeife, nur einen Pelzknäuel kann ich entdecken. Plötzlich um 8.45 Uhr – wir traben so auf einer Hochalm zwischen Kuhpfladen und Murmeltierhöhlen dahin – WEhemaliger Gletscher Vernalefinden wir keine Wegmarkierungen mehr. Vor uns rennen zwei weitere Wanderer ziellos dahin – offensichtlich auch auf der Suche nach dem Weg. Darunter das einsame Wandergirl vom Vortag.

Stevie nimmt schnell Witterung auf, jedoch nicht um den Weg zu suchen, sondern zum Kontakten. Seine Begeisterung hält sich jedoch plötzlich in Grenzen. Denn Gerüche, die ich zunächst dem Murmeltier und nicht eines Menschen Flüssigkeitsausscheidungen zuordne, sowie ungepflegter Wildwuchs unter den Achseln lassen Stevie zurückschrecken. Nichts für Ungut, wir müssen eh weiter und haben keine Zeit für Geplänkel. Ich werfe mir erstmal die Vitamin-Pillen ein und – voila – werde fluchs fündig. Wir folgen dem richtigen Weg „Sentiero Italia“ (Nr. 607) weiter .

Während Wandergirl und Co. vor uns diesem weiter gen Süden folgen, biegen einzig wir ab in Richtung Osten – vor uns der Sasso Vernale – laut Karte, denn sehen können wir ihn im grauen Schleier nicht. Am Ferrata OmbrettaFerrata Ombretta schließlich – etwa die Hälfte zum Gipfel (500 Höhenmeter) sind geschafft – legen wir unsere Ausrüstung an. Nun geht’s ca. 20 m senkrecht den Klettesteig nach oben. Die Tritte sind wenig ausgeprägt, aber mit etwas Klettererfahrung und bei hier notwendiger Sicherung schafft man diesen kurzen Eisenweg mühelos. Am Ende des Steigs liegt StefanIm Klettersteig grinsend bis über beide Ohren – endlich hatte er den gelieben Kletterspaß. Vor uns eröffnet sich nun der Blick auf eine schier endlos scheinende Schotterpiste. Moränen die einst Gletscher Vernale hier liegen ließ. Benannt nach seinem Hausberg, dem Sasso Vernale (3054 m) ist heute nur noch ein kleines Schnee- und Eisfeld vom einst mächtigen Vernale übrig. Um 12.05 Uhr machen wir die letzte Pause vor dem finalen Aufstieg. Stefan klagt über Kopfschmerzen, die hat er immer am ersten Tag, was nun an der Höhenumstellung, einer schlaflosen Nacht oder zuvielen Weizenbieren liegen kann – ich bin noch nicht dahinter gekommen.

Die letzten 450 m also über diesen Schotter. Nichts außer Gesteinsschutt. Der Aufstieg kostet jetzt Kraft. Einziger Lichtblick: die Wolken lichten sich langsam aber stetig. Der ein oder andere Zacken schiebt sich hin und wieder durch die Wolkenwand, um gleich im nächsten Moment wieder abzutauchen. Wer ist hiervon wohl unsere Cima?

Dann stehen wir plötzlich unverhofft auf einem Grat, vor uns ein grandioser Blick auf die Marmolada-Die Sicht reißt auf .. was für ein Panorama!Südwand! Unter uns der Passo Ombretta. Und nach Osten der Gipfel der Cima Ombretta Orientale zum Greifen nahe. Rasch haben wir diesen über den Grat erreicht und stehen um 12.35 Uhr auf dem Gipfel der Gefühle. Ausgiebig genießen wir den Blick auf die Südflanke. Die Sicht reißt mehr und mehr auf – auch Civettas Breitseite zeigt sich – im Süden sogar die Pala.

Wir befinden uns auf einer Aussichtsloge vor der gewaltigen Marmolada-Südfront – jener viele Kilometer breiten und bis zu 800 m hohen Wandflucht. Der Gipfel der Cima Ombretta – wohl gemerkt 3011 m hoch – versteckt sich vollkommen hinter dem höchsten Dolomiten-Gipfel. In der senkrechten Wand entdecken wir mühsam Kletterer auf dem Weg zum Gipfel. SchotterpisteNur zu überhören sind sie nicht – die kleinen Italiener. Nach ausgiebigem Foto-Shooting, Pausensnacks und Gipfel-Zigarette machen wir uns an den Abstieg – bei inzwischen schönstem Sonnenschein. Bis zum Parkplatz haben wir 1500 Höhenmeter vor uns.

Über Geröll und Schrofen geht’s rasch hinab, durch eine Steilmulde und über schuttreiche Hänge abwärts bis zur roten Biwakschachtel Marco dal Bianco, die wir uns mal genauer ansehen. Sechs Personen finden hier locker Platz. Und Proviant ist auch da. Die Betten scheinen aber eher für kleine Italianos kreiert zu sein und nicht für nordische Hünen wie mich. Mit Blick auf die Uhr sehen wir von einem erholsamen Mittagsschläfchen in der Schachtel ab. Weiter des Wegs kurz hinter dem Biwak kommen wir an einer pech-schwarzen Felsgruppe vorbei, fast ein kleiner Berg. Als Nicht-Geologe wissen wir solche verbrannten Felsen jedoch nicht zu beurteilen.

Schließlich erreichen wir den Ombretta-Pass. Der Blick auf die Marmolada-Wand ist Biwakschachtel Marco dal Biancoschwindelerregend, scheint sie sich doch schier über den Betrachter neigen zu wollen. Talabwärts geht’s weiter jetzt zwischen engeren Felswänden, weiter über Schutthänge, zwischen wilden riesigen Felsbrocken hindurch, dann das obere Contrin-(Rosalia-)Tal hinab über Wiesen Richtung Contrinhaus. Dort angekommen gönnen wir uns erst einmal große kalte Limos, während sich Stevie an einem Groupie erfreut.

Der Rest wird jetzt ein Spaziergang – wobei die Knochen schon etwas schmerzen. Wir erreichen das Auto und fahren nur noch um die nächste Straßenecke in den nächstgelegene Pension in Penia, keine Lust mehr auf Suchen, wir nehmen das erste Zimmer. Nur endlich duschen und dann Pizza und Radler. Nur 30 Minuten später sind wir im Lokal um die Ecke. Die Radler hauen uns fast um, die Müdigkeit siegt, so dass ich von Stefans Nachtprogramm im italienischen Fernsehen nichts mehr mitkriege. Der verdiente Johnny-Cola gibt mir den Rest. Gute Nacht John-Boy!

3. Tag: Vom Villnößtal zur Schlüterhütte

© Michael Breiden 27.02.2006

Aus dem Villnößtal zur Schlüterhütte

Aus dem Villnößtal zur Schlüterhütte

05.07.2005

In der Nacht gewittert es heftig, und die Wettervorhersage lässt nichts Gutes verlauten. Wir gehen unsere Optionen durch und beschließen bei ausgedehntem Frühstück, die Schlechtwetterphase für einen Gebietswechsel zu nutzen. Die gestrige Tour sitzt uns sowieso noch tief in den Knochen, da ist heute eine kürzere Wanderung sehr willkommen.

So brausen wir bei düsteren Wolken und starkem Regen die Tornanti wieder gen Sella-Joch hinauf. Oben beschließen wir für heute von einer Langkofel-Tour abzusehen und diese an einem schöneren Tage anzugehen. Also ab in Richtung Villnößtal. Hier rufen uns die Aferer Geiseln mit dem berühmten Günther-Messner-Steig. Dazu müssen wir das Grödnertal wieder runter und das Eisacktal bis Eingang Villnößtal wieder herauf. Was auf der Karte so nahe beieinanderliegt, zieht sich in Wirklichkeit ewig dahin. Im Villnößtal, der Heimat von Reinhold und Günther Messner, sind wir schier die einzigen, die sich bei diesem Wetter noch auf die Straße trauen. Dieses verschlafene Tälchen ist touristisch genau das Gegenteil vom überlaufenen Grödnertal mit den Zentren St. Christina und St. Ulrich.

Wir verfahren uns auf der so ziemlich einzigen Straße durch das Tal, finden aber schließlicSchnee unter 2000 mh doch den Parkplatz an der Zanser Alm (1680 m) am Ende des Tales kurz vor Mittag. Das Wetter hat sich nicht gebessert während der Fahrt, wie erhofft, im Gegenteil. Gut, wir warten – schließlich benötigen wir ja nur maximal 2 h bis zur Schlüterhütte hinauf. Trinken wir erstmal einen Kaffee in dem netten urigen Alpenkiosk gleich Ah wahrer Traum – die Alm-Öhiam Parkplatz. Da keine Wetterbesserung in Sicht ist, hängen wir gleich ein lecker Mittagsmal dran – der Wirt bietet eine reichhaltige Speisekarte – reichhaltig viel Wurstiges.

So wählen wir zwischen Speck und Würstchen die letzteren – dazu ein gepflegtes Radler. Den Nachmittag vertreiben wir uns im Wagen – nur Paul Panzer und Badesalz bringen uns jetzt noch zum Lachen. Bis 15.00 Uhr setzen wir uns ein Limit, dann gehen wir, egal, welche Kapriolen das Wetter noch schlägt. Um 15.00 Uhr gießt es dann richtig aus Eimern, so dass wir dem Wetter noch eine Frist von 30 Minuten gewähren. Dann reicht es uns. Wir kleiden uns wasserdicht, nutzen dazu auch unsere Kletterhelme als Regenschutz, machen die Rucksäcke klar und starten gen Schlüterhütte. Genau 5 Minuten später hört es zu regnen auf – und man soll es nicht glauben, die Sonne scheint urplötzlich.

Erfreut setzen wir unseren Weg durch Wald und Almen fort. Der Blick auf die Aferer Geiseln und Schlüterhütte wird frei – wir können es kaum glauben, die Berghänge sind bis weit unter 2000m verschneit, und das Anfang Juli.Wir passieren schließlich Alm-Öhis Trinkhalle in Nähe der Gampenalm. Eine winzige bewirtschaftete Alm – ca. 6 Personen dürften hier Platz finden. Weiter oben jedoch winkt uns schon die Schlüterhütte entgegen – und hier wartet SchniPo und Weizen sowie eine warme Stube. Hier ist alles weiß nur ich bin rot angelaufen.

Vor der Hütte begrüßen uns alte Bekannte, die typischen Schlüter-Hasen, die wir schon Die Geisler-Gruppe2000 hier angetroffen haben. Die Hütte ist übrigens nach dem Dresdner Franz Schlüter benannt, dem edlen Spender, der die Hütte erbauen und sie der Alpenvereinssektion Dresden überlies. Dem ursprünglichen Holzbau wurde 1908 eine Erweiterung aus Stein angefügt, und seitdem soll sich nichts geändert haben. Sehr beeindruckend ist übrigens die Gaststube – mit ihrem Panorama-Blick ins Villnößtal und auf die Geisler-Gruppe.

Nachdem wir unsere Bleibe für die Nacht klar gemacht haben, möchten wir uns eine heiße Dusche gönnen. Für den Nepper-Preis von 2,50 € gibt’s für nur 90 Sekunden fließend heißes Wasser. Gut, dass mich Stefan, der vor mir duscht, darauf hinweißt. So gelingt es wenigstens mir in dieser Rekordzeit, den Schaum komplett abzuspülen. In neuer Frische lassen wir uns das Abendmahl kredenzen – wir sehen jedoch vom Hasen ab.

Später lädt uns die Abendsonne noch zur Foto-Session ein. Sonne und Wolkenformationen liefern tolle Aufnahmen der zackigen Geisler-Gruppe. Vor der Hütte versuchen sich zwei Selbstversorger mit ihrem Campingkocher – ein Päärchen in den Flitterwochen vielleicht? Der Abend ist bitterkalt, auch in unserer 2-Bett-Stube friert’s. So lümmeln wir uns frühzeitig in die Cojen, um am nächsten Tag früh und ausgeschlafen auf den Spuren Günther Messners zu wandeln. Das Wetter ist fönig vorausgesagt – Sonne pur.

4.Tag: Der Günther-Messner-Steig durch die Aferer Geiseln

© Michael Breiden 27.2.2006

Günther-Messner-Steig / Wälscher Ring in den Aferer Geiseln

Günther-Messner-Steig / Wälscher Ring in den Aferer Geiseln

06.07.2005

Der Morgen ist bitterkalt, beim Blick aus dem Fenster erwartet uns strahlend blauer Himmel, der Schnee Die Schlüterhütte mit Geislerspitzenvon gestern ist noch nicht weggeschmolzen. Die Camper vor der Hütte sehen nicht gesund aus,Die Aferer Geiseln schneebedeckt sie hatten sich eine laue Juli-Nacht zum Zelten wohl auch anders vorgestellt. Aber sicherlich haben die Jung-Verliebten davon nix gemerkt. Wir genießen ausgiebig unser Frühstück und starten heute frühzeitig um 8.15 Uhr. Es erwartet uns eine tolle Wanderung bei ausgezeichnetem fönigen Wetter.

Zunächst peilen wir den Hausberg der Schlüterhütte an, den Zendleser Kofel (2422 m) um das Panorama auf die Aferer Geiseln und die Geislergruppe gegenüber zu genießen. Zudem bietet sich uns eine schöne Aussicht auf die Puez-Spitzen. Zu unseren Füßen die Schlüterhütte und die Gampenalm. In der Ferne glauben wir König Ortler zu erkennen. Zu den Aferer Geiseln gehts dann zunächst mal auf dem Dolomitenhöhenweg Nr. 2 in Richtung Peitler-Kofel.

Der liegt jetzt direkt vor uns zum Greifen nahe. Weiß gezuckert unter blauem Himmel wirkt er imposanter, als im letzten Jahr bei Regenwetter. Wir überlegen, ob wir die damals verpasste Besteigung des Hauptgipfels auf dem Weg mal schnell nachholen sollen, besinnen uns dann aber, und sehen von einer Blitzbesteigung ab. Denn auch auf der geplanten Route erwarten uns zwei weitere herrliche Gipfel.

Bald verlassen wir den Dolo-Highway und folgen einem kleinen Pfad. Wir sind wohl die ersten heute, noch keine Spuren im Schnee zu sehen. Der schmale Pfad schlängelt sich kreuz und quer durch die Geiseln, teilweise ist leichtes Kraxeln angesagt, aber ohne Schwierigkeit. Vor uns dann eine Leiter, der Einstieg ist etwas luftig. Da wir erwarten, dass ab sofort ein längerer Klettersteig beginnt, legen wir die Gurte zur Sicherung an.

Unten angekommen stellen wir fest, dass dort der Wanderpfad weiterführt. Hoch über dem VillnößtalAlso nix mit Klettern. Wir folgen dem Pfad weiter, er führt auf der südlichen Seite unter dem Grad entlang, so dass wir ständig Blick auf die Geislerspitzen und das Villnößtal haben. Wir sind dann doch etwas besorgt, als der Weg langsam aber stetig an Höhe verliert, haben wir doch erwartet, dass der Günther-Messner-Steig eher direkt über den Grad führt.

Zudem dachten wir, dass die Vilnößer eher mit einem Klettersteig, als einem Wanderpfad Herrn Messner huldigen würden. Haben wir durch den Schnee eine Wegmarkierung und Abzweigung verpasst? Die Karte gibt keine genauen Angaben hier.

Irgendwann geht’s dann doch wieder bergauf. Inzwischen brutzelt die Sonne schon heftiger, der Schnee ist fast verschwunden, bisserl feucht und matschig bleibt’s daher. Willkommene Abwechslung bietet eineKick ma, wat’n Panorama! Kletterstelle durch eine Spalte hinab. Der letzte Aufstieg zur Großen Ringspitze wäre dann normalerweise kein Hexenwerk. Heute macht mir die geringe Höhendifferenz aber schon zu schaffen. Vermutlich liegt mir das gestrige Schnitzel noch schwer im Magen. So lasse ich Stefan den Vortritt und folge gemächlich, schließlich hat er 15 Kilo weniger zu tragen.

12.20 Uhr: Oben erwartet uns dann ein sagenhaftes Panorama, die Große Ringspitze auf 2625 m gibt die Aussicht auf den Peitler-Kofel und auf den Alpenhauptkamm frei – heute bei fönigem Wetter haben wir eine geniale Fernsicht. Im Osten sehen wir die Kreuzkofelgruppe, dahinter die Conturines-Spitze, Tofane di Rozes und Pelmo, hinter den Puez-Spitzen winkt Piz Boe hindurch.

Der Sas Rigais und die Geislerspitzen scheinen nur einen Steinwurf entfernt, so klar ist die Sicht. Und im Südwesten sehen wir den Schlern, im Westen vor uns den Tullen – Geislerspitzenunser nächstes Ziel. Wir sind überwältigt. Aber „großer Name – kleines Kreuz“! Obwohl es sich hier um eine dem Namen nach „Große“ Spitze handelt, ziert diese nur ein kleines krummes Holzkreuzchen aus zwei Stecken gebastelt. Den kleinen Gipfel teilen wir uns mit vier weiteren Wanderern, die wohl die östliche Route für den Aufstieg gewählt haben.

Nach ausgiebigem Foto-Shooting, Pausensnack und Gipfel-Zigarette folgen wir nördlich hinter dem Gipfel endlich einem Klettersteig hinab, dann weiter direkt über den Grat – bis Über den Gratplötzlich – zunächst wirkt es wie eine Fata Morgana – auf dem Grat ein nettes Maderl in der Mittagssonne sitzt . Wir wechseln ein paar Worte und stellen fest, dass Morgana schon ein ausgewachsenes einheimisches Maderl ist. Die Bergwelt hält wohl jung – oder verklärt den Blick.

Der Weg führt hinab zum Fuße unseres heute dritten Gipfels – dann durch eine sandig Der Gipfel des Tullen, 2653mrutschige Stevie in actionScharte hinauf, über Geröllfelder schließlich auf den Gipfel des Tullen (2653 m). Bei schönstem Sonnenschein genießen wir wieder lange die tolle Aussicht, die sich jedoch vom vorherigen Gipfelpanorama kaum unterscheidet. Der Gipfel gehört diesmal jedoch uns alleine – und bietet zudem ein professionelles Kreuz.

Doch irgendwann müssen wir uns aufrappeln und den Abstieg antreten. Zunächst wandern wir noch weiter Richtung Westen – der Weg ist gesäumt von bizarren Felsformationen. Dann erreichen wir die Baumgrenze, wo wir noch einmal eine letzte Pause in einer gemütlichen Almwiese machen, bevor wir den Blitzabstieg wagen. Denn im Süden nahen die ersten Quellwolken, für den Abend waren Gewitter angesagt.

Auf der Karte wirkt der Abstieg recht kurz, jedoch sind’s vom Tullen bis zur Zanser Alm, wo unser Auto Pause in der Almwiesewartet, ganze 1000 Höhenmeter hinab. Die Knochen-Schinderei erwartet uns dann auf dem Auf dem HerrensteigHerrensteig, der uns durch Wald und Wurzeln in Serpentinen hinab ins Tal stolpern lässt.

Dann – um 17:55 kurz vor dem Parkplatz läuft der Stevie auf der letzten Rille und jammert: „I have entered a world of pain“. Hm, ich halte es wieder für seine üblichen Selbstgespräche. Am Parkplatz sehen wir dann unsere Morgana wieder, sie muss den Weg in entgegengesetzter Richtung samt Abstieg irgendwie im Eiltempo erledigt haben – ja, so san’s halt, die Alpen-Maderls mit ihra strrammen Waderl!

Über das Würzjoch fahren wir gen Pustertal und finden schließlich am späten Abend nach endlosen Tornantis eine Bleibe in Antholz. Inzwischen regnet es heftig. Die Wettervorhersage ignorieren wir erstmal. Morgen wird’s bestimmt wieder schön. Nach Pasta und Pizza – und dem obligatorischen Whisky-Cola glauben wir ganz fest daran.

5. Tag: Aufstieg vom Pragser Wildsee zur Seekofelhütte

© Michael Breiden 27.02.2006