06.07.2005

Der Morgen ist bitterkalt, beim Blick aus dem Fenster erwartet uns strahlend blauer Himmel, der Schnee Die Schlüterhütte mit Geislerspitzenvon gestern ist noch nicht weggeschmolzen. Die Camper vor der Hütte sehen nicht gesund aus,Die Aferer Geiseln schneebedeckt sie hatten sich eine laue Juli-Nacht zum Zelten wohl auch anders vorgestellt. Aber sicherlich haben die Jung-Verliebten davon nix gemerkt. Wir genießen ausgiebig unser Frühstück und starten heute frühzeitig um 8.15 Uhr. Es erwartet uns eine tolle Wanderung bei ausgezeichnetem fönigen Wetter.

Zunächst peilen wir den Hausberg der Schlüterhütte an, den Zendleser Kofel (2422 m) um das Panorama auf die Aferer Geiseln und die Geislergruppe gegenüber zu genießen. Zudem bietet sich uns eine schöne Aussicht auf die Puez-Spitzen. Zu unseren Füßen die Schlüterhütte und die Gampenalm. In der Ferne glauben wir König Ortler zu erkennen. Zu den Aferer Geiseln gehts dann zunächst mal auf dem Dolomitenhöhenweg Nr. 2 in Richtung Peitler-Kofel.

Der liegt jetzt direkt vor uns zum Greifen nahe. Weiß gezuckert unter blauem Himmel wirkt er imposanter, als im letzten Jahr bei Regenwetter. Wir überlegen, ob wir die damals verpasste Besteigung des Hauptgipfels auf dem Weg mal schnell nachholen sollen, besinnen uns dann aber, und sehen von einer Blitzbesteigung ab. Denn auch auf der geplanten Route erwarten uns zwei weitere herrliche Gipfel.

Bald verlassen wir den Dolo-Highway und folgen einem kleinen Pfad. Wir sind wohl die ersten heute, noch keine Spuren im Schnee zu sehen. Der schmale Pfad schlängelt sich kreuz und quer durch die Geiseln, teilweise ist leichtes Kraxeln angesagt, aber ohne Schwierigkeit. Vor uns dann eine Leiter, der Einstieg ist etwas luftig. Da wir erwarten, dass ab sofort ein längerer Klettersteig beginnt, legen wir die Gurte zur Sicherung an.

Unten angekommen stellen wir fest, dass dort der Wanderpfad weiterführt. Hoch über dem VillnößtalAlso nix mit Klettern. Wir folgen dem Pfad weiter, er führt auf der südlichen Seite unter dem Grad entlang, so dass wir ständig Blick auf die Geislerspitzen und das Villnößtal haben. Wir sind dann doch etwas besorgt, als der Weg langsam aber stetig an Höhe verliert, haben wir doch erwartet, dass der Günther-Messner-Steig eher direkt über den Grad führt.

Zudem dachten wir, dass die Vilnößer eher mit einem Klettersteig, als einem Wanderpfad Herrn Messner huldigen würden. Haben wir durch den Schnee eine Wegmarkierung und Abzweigung verpasst? Die Karte gibt keine genauen Angaben hier.

Irgendwann geht’s dann doch wieder bergauf. Inzwischen brutzelt die Sonne schon heftiger, der Schnee ist fast verschwunden, bisserl feucht und matschig bleibt’s daher. Willkommene Abwechslung bietet eineKick ma, wat’n Panorama! Kletterstelle durch eine Spalte hinab. Der letzte Aufstieg zur Großen Ringspitze wäre dann normalerweise kein Hexenwerk. Heute macht mir die geringe Höhendifferenz aber schon zu schaffen. Vermutlich liegt mir das gestrige Schnitzel noch schwer im Magen. So lasse ich Stefan den Vortritt und folge gemächlich, schließlich hat er 15 Kilo weniger zu tragen.

12.20 Uhr: Oben erwartet uns dann ein sagenhaftes Panorama, die Große Ringspitze auf 2625 m gibt die Aussicht auf den Peitler-Kofel und auf den Alpenhauptkamm frei – heute bei fönigem Wetter haben wir eine geniale Fernsicht. Im Osten sehen wir die Kreuzkofelgruppe, dahinter die Conturines-Spitze, Tofane di Rozes und Pelmo, hinter den Puez-Spitzen winkt Piz Boe hindurch.

Der Sas Rigais und die Geislerspitzen scheinen nur einen Steinwurf entfernt, so klar ist die Sicht. Und im Südwesten sehen wir den Schlern, im Westen vor uns den Tullen – Geislerspitzenunser nächstes Ziel. Wir sind überwältigt. Aber „großer Name – kleines Kreuz“! Obwohl es sich hier um eine dem Namen nach „Große“ Spitze handelt, ziert diese nur ein kleines krummes Holzkreuzchen aus zwei Stecken gebastelt. Den kleinen Gipfel teilen wir uns mit vier weiteren Wanderern, die wohl die östliche Route für den Aufstieg gewählt haben.

Nach ausgiebigem Foto-Shooting, Pausensnack und Gipfel-Zigarette folgen wir nördlich hinter dem Gipfel endlich einem Klettersteig hinab, dann weiter direkt über den Grat – bis Über den Gratplötzlich – zunächst wirkt es wie eine Fata Morgana – auf dem Grat ein nettes Maderl in der Mittagssonne sitzt . Wir wechseln ein paar Worte und stellen fest, dass Morgana schon ein ausgewachsenes einheimisches Maderl ist. Die Bergwelt hält wohl jung – oder verklärt den Blick.

Der Weg führt hinab zum Fuße unseres heute dritten Gipfels – dann durch eine sandig Der Gipfel des Tullen, 2653mrutschige Stevie in actionScharte hinauf, über Geröllfelder schließlich auf den Gipfel des Tullen (2653 m). Bei schönstem Sonnenschein genießen wir wieder lange die tolle Aussicht, die sich jedoch vom vorherigen Gipfelpanorama kaum unterscheidet. Der Gipfel gehört diesmal jedoch uns alleine – und bietet zudem ein professionelles Kreuz.

Doch irgendwann müssen wir uns aufrappeln und den Abstieg antreten. Zunächst wandern wir noch weiter Richtung Westen – der Weg ist gesäumt von bizarren Felsformationen. Dann erreichen wir die Baumgrenze, wo wir noch einmal eine letzte Pause in einer gemütlichen Almwiese machen, bevor wir den Blitzabstieg wagen. Denn im Süden nahen die ersten Quellwolken, für den Abend waren Gewitter angesagt.

Auf der Karte wirkt der Abstieg recht kurz, jedoch sind’s vom Tullen bis zur Zanser Alm, wo unser Auto Pause in der Almwiesewartet, ganze 1000 Höhenmeter hinab. Die Knochen-Schinderei erwartet uns dann auf dem Auf dem HerrensteigHerrensteig, der uns durch Wald und Wurzeln in Serpentinen hinab ins Tal stolpern lässt.

Dann – um 17:55 kurz vor dem Parkplatz läuft der Stevie auf der letzten Rille und jammert: „I have entered a world of pain“. Hm, ich halte es wieder für seine üblichen Selbstgespräche. Am Parkplatz sehen wir dann unsere Morgana wieder, sie muss den Weg in entgegengesetzter Richtung samt Abstieg irgendwie im Eiltempo erledigt haben – ja, so san’s halt, die Alpen-Maderls mit ihra strrammen Waderl!

Über das Würzjoch fahren wir gen Pustertal und finden schließlich am späten Abend nach endlosen Tornantis eine Bleibe in Antholz. Inzwischen regnet es heftig. Die Wettervorhersage ignorieren wir erstmal. Morgen wird’s bestimmt wieder schön. Nach Pasta und Pizza – und dem obligatorischen Whisky-Cola glauben wir ganz fest daran.

5. Tag: Aufstieg vom Pragser Wildsee zur Seekofelhütte

© Michael Breiden 27.02.2006