06.08.2006

Eigentlich steht der Hohe Angelus mit seinen 3521m auf unserem Plan. Die Wetterbedingungen sind aber alles andere, als ideal. So nehmen wir uns heute das weniger schwere „Hintere Schöneck“ vor. Der Hütten-Hausberg gilt als Aussichtsloge der Extraklasse gegenüber der Ortler-Nordwand mit seinem 3899m hohen Gipfel und dem mächtigen Gletscherdach der Nordseite. Der Gipfel bietet sich als Höhepunkt einer Abstiegsroute ins Tal an.

Hinter der Hütte geht’s nach Weg Nr. 25a schräg zum breiten Bach hinab und über Bretter ans andere Gipfel im NebelUfer. Der Weg führte uns über Schutthalden zum Steilgelände, durch steiles Gras, Trümmerflächen und Schrofen – über Rippen und quer durch Rinnen in der Flanke weit empor. Dann quer durch das Steilgelände über Platten und Blockfelder zum Gipfel herauf, der nur wenig aus dem Kamm hervorragt.

Die Route von der Düsseldorfer Hütte zum Hinteren Schöneck ist steil und voller Überraschungen, da der Weg durch die zerfurchte Felsflanke von unten nicht auszumachen ist. Inklusive weniger Pausen erreichen wir den Gipfel nach nur 1 h 45 Min., womit wir in einer guten Zeit liegen.

Das als Aussichtsloge geltende Schöneck zeigt sich heute weder schön noch aussichtsreich. Düstere Nebelwolken verhüllen jegliche Talblicke und lassen es zudem noch auf uns herabschneien. Entsprechend kurz fällt die Gipfelpause aus. 1200 Höhenmeter Abstieg nach Sulden stehen bevor. Auf und neben dem Südrücken geht es abwärts, teilweise wieder über mächtiges Blockfeld und über gut ausgebaute Plattenwege bis zum völlig unauffälligen vorderen Schöneck (2908 m). Dieser vordere „Gipfel“ ist für Wanderer, die sich auf einfachen Bergpfaden wohl fühlen, bei schönem Wetter ebenso ein tolles Ziel, erreichbar von Sulden herauf, da dieser gewöhnlich schöne Blicke auf die Eisklötze Ortler, Monte Zebru, Königsspitze und hinab ins Suldental verspricht.

Die Bezeichnung „Gipfel“ ist aber leicht übertrieben, es ist eher ein Grashügel, der vordere eines langen Das Vordere SchöneckKamms. Wir verlieren über den Pfad Nr. 25 bei einsetzendem Regen und Wind jetzt über den Kamm abwärts schnell an Höhe. Bei ca. 2750 m dann in steile KüheWiesenhänge diagonal abwärts über die Stieralm zur Kalberhütte nahe der Waldgrenze. Ein zuvor nicht eingezeichneter Weg, für uns aber eine vermeintliche Abkürzung, offenbart sich als Sackgasse und endet bei Lawinenschutzgittern. Zurück bei Kalberhütte vorbei stolpern wir nun den breiten Wald- und Forstweg hinab nach Sulden. Die 1200 Höhenmeter sind trotz einfachem Weg nicht zu unterschätzen, brauchten wir doch über 4 Stunden dafür.

Die nächsten Nächte belohnen wir uns für die Knochenschinderei mit einem luxuriösegegenüber der Ortlern Talquartier, ausgestattet mit Dusche und Fernseher. Nun wussten wir die Vorzüge einer herrlich warmen Dusche wieder zu schätzen – und deren wundersame Belebung müder Muskulatur. Belebt wurde die letzten Tage aber noch mehr. Trotz körperlicher Anstrengung spürte ich eine herrliche Belebung meines Geistes. Die Wahrnehmung wurde geschärBrotzeit bzw. Kekszeitft. Als ob ich meine natürlichen Instinkte wieder finde. Jeder Stein, jede Pflanze aufgesogen und gespeichert. Und die Zeit verrinnt tagsüber scheinbar langsamer, jede Minute lebe ich intensiver. Die Erfahrung mit dem Wesentlichen, dem Ursprünglichen – eine enorme Erholung für den Geist. Und das entfaltet erstaunliche körperliche Energie, die ich tagtäglich bis in allen Gliedern zu fühlen glaube. Ich nehme an, Kumpel Stefan empfindet ähnliches, denn als Großstädter aus Köln setzt er hier eine erstaunliche Energie frei – zäher Bursche.

Unser Restaurant-Tipp: Die Bärenhöhle
Wir machen eine wirklich gute Pizzaria aus: die Bärenhöhle. Der Besitzer – offensichtlich ein Motorrad-Freak, hat aus einer alten Scheune eine urige Pizza-Höhle mit tollem Ambiente geschaffen. Und Olio-Picante hat er auch.

4.Tag: Hintere Schöntaufspitze (3325 m)

© Michael Breiden 15.01.2007