08.08.2016

5.Tag: Abstieg von der Nürnberger Hütte und Hoher Burgstall

Gipfel:                        (1) Niederer Burgstall (2436m), (2) Hoher Burgstall (2611m) Ausgangspunkt:         Bergstation der Kreuzjochbahn (2136m) Höhendifferenz:         550m Gesamtdauer:           3h Ausrüstung:               Bergwanderung (Rucksack) Bedingungen:             Perfekt
Nach unserer zweiten Nacht auf der Nürnberger Hütte machen wir uns nach einem flüssigen Frühstück auf zum Talabstieg. Die Sonne scheint von einem unbefleckt blauen Himmel, während wir mit einer Herde Ziegen um die Wette das Langental hinuntereifern. Vor uns bäumt sich die Brennerspitze über dem Stubaital auf uns wird klar, dass wir die Gunst der Stunde nutzen und heute Mittag noch eine Halbtagestour dranhängen werden wollen müssen. Denn die Wetterprognose verspricht ab morgen wiederum Launenhaftigkeit. Der Abstieg zum Parkplatz ist in 2.5 Stunden zu bewältigen. Das gibt uns genügend Zeit, nach Neustift zu fahren, im Sonnleitn einzuchecken und mit Unterstützung unserer frisch gedruckten Stubai Cards einen sonnenbestrahlten Seilbahngipfel abzustauben. Der beste Kandidat für dieses Unterfangen scheint uns der Hohe Burgstall zu sein. Nur gut 500 Höhenmeter trennen uns von unserem dritten Stubai Seven Summit – für solch ein hehres Ziel schieben wir schon einmal Kohldampf! Der Hohe Burgstall (2611m) liegt am südlichen Ende der Kalkkögel, einer Bergkette, die sich nördlich von Neustift erstreckt und überwiegend aus Dolomit besteht. Er ist im Grunde der Hausberg von Neustift, obwohl nicht viele Bergwanderer ihn von dort aus besteigen dürften wegen der stattlichen Höhendifferenz von 1600m und der unattraktiven Lawinenschutzverbauungen. Vielmehr bietet sich eine Gondelbahnfahrt vom Nachbarort Fulpmes aus hinauf in das Skigebiet „Schlick 2000“ an. Gut eingecremt verlassen wir die Bergstation der Kreuzjochbahn (2136m) am frühen Nachmittag und staunen nicht schlecht ob der Kulisse, welche sich vor den Augen der zahllosen Betrachter abzeichnet. Wiederum glauben wir in Südtirol in den Dolomiten zu stehen, als wir die schroffen Wände der Schlicker Seespitze, der Ochsenwand und der Schlicker Zinnen erblicken (um nur einige zu nennen). Hier befinden sich mehrere (für unsere Verhältnisse) recht anspruchsvolle Klettersteige. Unser Ziel ist weniger ambitioniert und liegt links von der eindrucksvollen Bergkette und wird noch durch den Niederen Burgstall verdeckt. Wir nehmen den gut ausgebauten Panoramaweg in westlicher Richtung. Den Alpenpflanzenlehrpfad müssen wir heute aus Zeitgründen leider ausfallen lassen – zum Unmut von Mika, der ein echter Kräuteraficionado ist. Wahre Menschenmassen sind heute unterwegs, allesamt wie wir angezogen von Sonnenschein und gratis Bahnfahren. Hinter der Schianlage der Sonnjochhütte führt ein gut ausgetrampelter Pfad auf den Niederen Burgstall zu, vermeidet dann aber den Aufstieg über Felsterrain zu Gunsten einer Traverse an seiner Südseite. Die letzten Höhenmeter treiben uns den Schweiß aus den Poren, ehe wir das Joch zwischen den beiden Burgställen erreichen. Wir entscheiden uns für den 5-minütigen Abstecher zum Niederen Burgstall (2436m), wo wir uns auf der sattgrünen Gipfelwiese mit Nordwandschau über unseren Proviant hermachen. Von den Menschenmassen ist nicht mehr viel zu sehen, wir teilen uns den Gipfel mit relativ wenigen Grüppchen. Wieder einmal finden wir die alte Bauernregel bestätigt, die da lautet „die Besucherdichte verhält sich reziprok proportional zum Quadrat der Entfernung vom/von der nächstgelegenen Parkplatz/Bahnstation/Futterbude. Wir lassen ein Foto von uns vor dem stylischen Gipfelkreuz schießen – es wirkt wie eine Fusion aus Notenschlüssel und Mercedes-Stern. Wir werden Zeugen eines kuriosen Schauspiels – an einer der gegenüberliegenden Bergspitzen versucht ein Helikopter offenbar eine Bergung. Ob es sich dabei um eine Übung oder den Ernstfall handelt, vermögen wir nicht zu sagen. Jedenfalls ist an einer der Felswände ein roter Klecks erkennbar, der offenbar das Ziel des Hübis darstellt. Nach einer Weile wenden wir uns dem Hauptziel des Tages zu, dem Hohen Burgstall. 200 Höhenmeter müssen wir dazu über den stumpfen Ostgrat hinaufzusteigen. Am Ende dürfen wir noch eine breite, schrofige Rinne in leichter Kletterei erklimmen. Reichlich mit Fixseilen gesichert. Nun trennen uns nur noch wenige Meter vom Gipfel, der überraschend gut besucht ist, vor allem von überaus lästigen Schmeißfliegen. Hier halten wir es nicht lange aus, sondern steigen lieber zum oberen Ende der Rinne hinab, wo wir auf einem grünen Nebengipfel pausieren und die Aussicht genießen. Vom Inntal hinüber zu den gletscherträchtigen Grenzgipfeln, über Habicht herüber zur Serles und dahinter die weißen Zillertaler, alles steht heute zu unserer Disposition. Um den Abstieg ein wenig aufzupeppen, beschließen wir den alternativen Pfad zu nehmen, der sich gegen den Uhrzeigersinn um die Südkante des Hohen Burgstalls herum schlängelt und uns hoffentlich ohne nervige Gegenanstiege zum Joch zwischen den beiden Burgställen geleiten wird. Und dies tut er auch, teilweise mit Drahtseilen versehen und an einer Stelle kommen wir auf Du und Du mit den Lawinenverbauungen, die so gewaltig sind, dass man von sie selbst vom Elferkofel aus über Neustift lauern sehen konnte. Am Sennjoch lümmeln wir uns noch etwas in der Wiese herum, bis wir endlich die Bahnreise nach unten antreten. Wir haben immer noch nicht genug von der Sonne, daher fahren wir zum Parkplatz des Hochseilgartens, um diesen großartigen Tag am Ufer der Ruetz ausklingen zu lassen. Kaum haben wir uns auf eine Wiese gesetzt, werden wir auch schon hinterrücks von drei Kühen attackiert. Mit gesenkten Häuptern kommen sie auf uns zu, wir springen im letzten Augenblick zur Seite. Schon marschieren sie weiter auf die nächsten Besucher zu. Wie systematisch, so eine Vorgehensweise war uns von Rindviechern nicht bekannt. Auf der anderen Seite des Flusses erscheint ein Ochse und gibt akkustische Signale, wie ein General, der seine Soldaten in die Schlacht sendet. Vielleicht interpretieren wir am Ende doch mehr in die Situation hinein als angemessen. Die Kühe waren vielleicht ein wenig „bees“ wegen der Gruppe Kinder, die bei unserer Ankunft mit ihnen zu spielen suchte. Doch als die Viecher sich schließlich anschicken, uns den Weg zum Parkplatz (der mit Gästekarte kostenlos ist!) abzuschneiden, lassen wir es für heute gut sein. Zeit, an das Abendessen zu denken. Irgendwie steht mir plötzlich der Sinn nach Kalbfleisch.

6.Tag: Von Kühen und Klämmen

© Stefan Maday 10.09.2016