09.08.2016

6.Tag: Von Kühen und Klämmen

Heute haben wir es mit dem Frühstück nicht eilig, regnet es doch aus allen Rohren. Mit Wifi auf dem Zimmer und mit Smartfon und Tablet bewaffnet nutzen wir die Gelegenheit, die Regenwolken auf dem Live-Radar im Internet zu verfolgen und uns auf Youtube Videos von vermeintlichen Kuhübergriffen anzuschauen. Diese „Angriffe“ nehmen sich ziemlich harmlos aus und zeugen mehr von der Hysterie der menschlichen „Opfer“ als von der Bösartigkeit der Rindviecher. Wir erinnern uns, dass vor zwei Jahren eine Wanderin in den Alpen von Kühen tödlich verletzt wurde. Im Kielwasser dieses Ereignisses begann die Presse damals, in ihrer üblichen Art von einer angeblichen Flut von bovinen Übergriffen zu berichten („Wieder ein Wanderer von Kühen angegriffen“) und ein Szenario gleich Hitchcock’s „Die Vögel“ heraufzubeschwören, in der die geknechteten Nutztiere sich gegen ihre Unterdrücker erheben. Man darf der Journaille nicht einmal einen Vorwurf machen – schlechte und bedrohliche Nachrichten verkaufen sich nun einmal besser als gute, denn sie erzeugen beim Konsumenten eine weitaus stärkere emotionale Reaktion. Dies ist evolutionsbiologisch einfach zu erklären, denn negative Nachrichten signalisieren potentielle Gefahr, der es zu begegnen gilt. Versetzen wir uns zurück in die Morgendämmerung der Menschheit, 200.000 Jahre in die Vergangenheit. Frau Feuerstein, die bereits seit dem frühen Morgen auf den Beinen ist und Pilze gesammelt hat, weckt Herrn Feuerstein gegen Mittag mit den Worten „Schatz, steh auf, die Sonne scheint“. Das beeindruckt den Herrn der Schöpfung natürlich wenig, denn in Afrika scheint zumeist die Sonne. Frau Feuerstein merkt, dass sie schärfere Geschütze auffahren muss, um den Herrn der Schöpfung doch noch zum Aufstehen zu motivieren, also ruft sie „Schatz, da schleicht ein Säbelzahntiger vor der Höhle herum“. Von solch einer Art Journalismus möchten sich die Alpenreporter an dieser Stelle ausdrücklich distanzieren. Hier folgt unser Standpunkt zu dieser Thematik: Kühe sind nützliche Tiere, sie geben uns Milch, Fleisch und Leder, halten den Rasen kurz und legen lustige Tretminen. Kühe sind nicht die schlimmsten Killer auf diesem Planeten, das sind in aufsteigender Reihenfolge (3) Bakterien und Viren (2) Langeweile (1) der Mensch. Natürlich gibt es auch unter den Rindern solche und solche und nicht alle sind Frohnaturen, die mit ihrem schweren Los locker umzugehen verstehen. Ich hätte auch so meine Probleme, wenn mir fremde Wesen periodisch an den Nippeln herumzögen und die Glocke um meinen Hals bei jeder kleinen Bewegung einen ohrenbetäubenden Radau machte. Ganz zu schweigen von den Fliegen und Bremsen, die unentwegt um mich herumschwirrten. Deshalb sollte man Kühe wie alle anderen fühlenden Wesen mit Respekt behandeln. Genau wie wir versuchen sie nur, die tägliche Last zu schultern, die das Leben ihnen aufbürdet. Schließlich raffen wir uns auf und fahren nach Stans im Inntal, wo wir die Wolfsklamm besuchen. Klämme haben sich bei uns mittlerweile zu unterhaltsamen Ausweichzielen bei Schlechtwetter gemausert, wird man bei ihrer Begehung sowieso nass. Anschließend shoppen wir in Innsbruck. Mika kauft sich eine neue Regenjacke (seine alte war angeblich nicht ganz dicht). Sie ist in schickem Signalgrün gehalten. Nun werde ich ihn niemals mehr im Nebel verlieren.

7.Tag: Serles

© Stefan Maday 10.09.2016